aus Greenpeace-Magazin 4/02 Seite 34 f:
handeln. eine chance für afrika

Seit Klaus Töpfer das UN-Umweltprogarmm in Nairobi leitet, hat sich sein Blick auf die Welt gewandelt. Dem Greenpeace-Magazin sagt er, warum Afrika dringend Hilfe braucht.

Täglich sterben in Afrika 6000 Menschen, meist Kinder, durch verseuchtes Trinkwasser. Luft- und Wasserverschmutzung, zunehmende Klimaextreme, der Schwund von Wäldern und Arten, Überfischung und ein veratwortungsloser Umgang mit giftigen Chemikalien bedrohen Umwelt und Menschen. Millionen kämpfen ums Überleben, während die Regenerationsfähigkeit der sensiblen Ökosysteme weit überschritten ist. Zur hausgemachten Not kommen immer mehr Probleme globalen Ursprungs. Oft scheint die Lage Afrikas hoffnungslos. Und doch begreife ich es als Chance, daß UNEP, das von mir geleitete Umweltprogramm der Vereinten Nationen, hier in Kenia angesiedelt ist. In Afrika zu arbeiten heißt, daß man die globalen Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung und Armut sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf das tägliche Leben in diesem Teil der Welt deutlich und klar erkennt.
Obwohl Afrika riesige Wasservorkommen hat, gibt es für Millionen Menschen noch immer Versorgungsengpässe - vom trockenen Mauretanien bis in die wasserreiche Demokratische Republik Kongo. Die Misere hat viele Ursachen: Es mangelt an Geld und qualifiziertem Personal für die Instandhaltung der ohnehin schlechten Infrastruktur. Um die knappen Resourcen müssen Privathaushalte mit Landwirtschaft und Industrie konkurrieren. Abwässer fließen meist ungeklärt in Seen und Flüsse. So fehlt mehr als der Hälfte der Menschen im sub-saharischen Afrika ein Zugang zu sicherem Trinkwasser. Wasser ist jedoch als Katalysator für jede nachhaltige Entwicklung unerläßlich. Zunehmende Konflikte, etwa zwischen Ländern am gleichen Fluß, scheinen vorprogrammiert. Da aber die Regierungen keine Konzepte zur Vermittlung in solchen Fällen haben, ist zu befürchten, daß aus den Konflikten Kriege entstehen.
Zwar rücken Resourcenschutz und Wasserversorgung zunehmend ins politische Blickfeld. Klare Verpflichtungen müssen jedoch noch folgen. Anfang Juli 2002 treffen sich Afrikas zuständige Minister -mit ehrgeizigen Zielen: Sie wollen Regeln für eine Aufteilung der Resourcen finden und die Entwicklungshilfe zum Management von Flüssen und Seen gerecht verteilen. Die UN unterstützen sie dabei, denn die Vergangenheit zeigt: Der Übergang zum umfassenden ökosystemorientierten Resourcenmanagement kann ohne gut finanzierte politische und institutionelle Kapazitäten nicht gelingen.
Während es in Westafrika oder in Äthiopien nur noch kleine Reste der einst ausgedehnten Urwälder gibt, schreitet besonders im Herzen des Kontinents, in den Regenwäldern des Kongobeckens, die Vernichtung eines der wertvollsten Schätze Afrikas ungebremst voran - jedes Jahr gehen mehr als 50.000 QuadratkilometerWald verloren. Ein großer Teil des Kahlschlags geht aufs Konto europäischer Firmen. Mit der Zerstörung der natürlichen Lebensräume verschwinden tagtäglich Tier- und Pflanzenarten für immer - und oft auch menschliche Kulturen.
So geht auch jahrtausendealtes Wissen verloren. Traditionell wird der Erfahrungsschatz Afrikas von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Doch weil immer mehr Sprachen sterben, wird das Wissen über eine schonende Nutzung der Natur nicht mehr vermittelt. Der Verlust an kultureller Vielfalt hat so auch Folgen für die biologische Vielfalt. Dabei bergen die enormen genetischen Resourcen große wirtschaftliche Potentiale: Kürzlich beschlossen die UN, den Ländern Rechte an ihren biologischen Schätzen zu garantieren. das soll etwa Gruppen zugute kommen, die Heilpflanzen kennen und ihr Wissen verkaufen können.
Oft sind westliche Konzerne an der Zerstörung unmittelbar beteiligt, doch auch indirekt haben die Industrieländer an Afrikas Umweltkrise eine Mitschuld. Die globale Erwärmung beschleunigt die Wüstenbildung, deren Folgen nirgends dramatischer sind als in Afrika. Zwei Drittel der Böden sind degradiert. Viele der schlimmsten Hungersnöte wüteten in Afrika, und gerade jetzt sind wieder Millionen durch eine Dürre bedroht.
Daß Umweltschutz kein Luxus ist, muß heute nicht mehr betont werden - kein Staat kann sich die Zerstörung der Lebensgrundlage leisten. Doch mehr als irgendwo sonst schädigt die arme Landbevölkerung Afrikas in ihrer schieren Not die Umwelt. Verzweifelt beackern die Menschen ungeeignete Böden und überfischen Seen und Meere - wo es ums schlichte Überleben geht, ist an ein nachhaltiges Umweltmanagement nicht zu denken. Die Folgen der Globalisierung verschärfen die Lage noch. Es ist zu befürchten, daß Afrika der einzige Erdteil sein wird, dessen Bewohner im 21. Jahrhundert ärmer werden.
Auf dem Weltgipfel in Johannesburg wird es um eine gerechtere Weltwirtschaft gehen, und ganz Afrika hofft darauf, daß konkrete Ziele - mit Zeit- und Finanzierungsplänen - beschlossen werden. 1992 versprachen die reichen Länder in Rio, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe einzusetzen. Damals lag der Anteil im Schnitt bei etwa 0,4 Prozent, doch bis heute ist er auf 0,2 Prozent gefallen. Dieser Trend muß umgekehrt werden, wenn wir in einer friedlichen Welt leben wollen.
Nötig sind radikale Schuldenerlässe und der Abbau von Handelshindernissen, außerdem Wirtschaftsförderung, ein besserer Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung, eine gesicherte Ernährung, eine nachhaltige ländliche Entwicklung sowie Maßnahmen gegen Gefahren durch Naturkatastrophen und Umweltrisiken.UNEP hat eine klare Botschaft an die Welt: Die Linderung der Armut ist ohne Umweltpolitik nicht möglich. Nötig sind nicht neue Absichtserklärungen, sondren ein politischer Konsens, konkrete Aktionsprogramme und klare Verpflichtungen für alle Beteiligten.
Die gewaltigen Probleme Afrikas können mich vom Glauben an seine Zukunft nicht abbringen - ich bleibe ein realistischer Optimist. Doch der Kontinent braucht unsere Solidarität, um die Geisel AIDS zu bekämpfen, um Spannungen und Bürgerkriege zu vermindern, die nicht zuletzt durch ausländische Interessen an Resourcen bedingt sind. Die neue Entwicklungspartnerschaft für Afrika (NEPAD) muß erfolgreich sein. Sie ist ein wichtiges Sigal, daß Afrika sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt.
Nach vierjähriger Tätigkeit in Afrika bin ich von der Weite und Schönheit der Länder verzaubert. Ich glaube an Afrika, weil es ein dynamischer Kontinent ist, und ich bin beeindruckt von den Menschen, vom Zusammenhalt in Familien und Nachbarschaften, von der Bereitschaft, nicht nur zu klagen, sondern konstruktiv zu handeln.

UNEP:
Das 1972 gegründete United Nations Environment Program in Nairobi ist neben "Habitat" die einzige UN-Institution mit Hauptsitz in einem Entwicklungsland.
UNEP entwirft internationale Richtlinien, fördert Umweltabkommen und hilft bei der Schaffung nationaler Umweltgesetzgebungen. Seit 1998 leitet der deutsche Ex-Bundesminister Klaus Töpfer die UNEP. Forderungen, UNEP zu einer schlagkräftigen Weltumweltorganisation auszubauen, die der WTO (World Trade Organisation) Paroli bieten kann, finden zunehmend Fürsprecher. Ihnen könnte der Gipfel in Südafrika Rückenwind geben.