Täglich sterben in Afrika 6000 Menschen, meist
Kinder, durch verseuchtes Trinkwasser. Luft- und Wasserverschmutzung, zunehmende
Klimaextreme, der Schwund von Wäldern und Arten, Überfischung
und ein veratwortungsloser Umgang mit giftigen Chemikalien bedrohen Umwelt
und Menschen. Millionen kämpfen ums Überleben, während die
Regenerationsfähigkeit der sensiblen Ökosysteme weit überschritten
ist. Zur hausgemachten Not kommen immer mehr Probleme globalen Ursprungs.
Oft scheint die Lage Afrikas hoffnungslos. Und doch begreife ich es als
Chance, daß UNEP, das von mir geleitete Umweltprogramm
der Vereinten Nationen, hier in Kenia angesiedelt ist. In Afrika zu arbeiten
heißt, daß man die globalen Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung
und Armut sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf das tägliche
Leben in diesem Teil der Welt deutlich und klar erkennt.
Obwohl Afrika riesige Wasservorkommen hat, gibt es für Millionen
Menschen noch immer Versorgungsengpässe - vom trockenen Mauretanien
bis in die wasserreiche Demokratische Republik Kongo. Die Misere hat viele
Ursachen: Es mangelt an Geld und qualifiziertem Personal für die Instandhaltung
der ohnehin schlechten Infrastruktur. Um die knappen Resourcen müssen
Privathaushalte mit Landwirtschaft und Industrie konkurrieren. Abwässer
fließen meist ungeklärt in Seen und Flüsse. So fehlt mehr
als der Hälfte der Menschen im sub-saharischen Afrika ein Zugang zu
sicherem Trinkwasser. Wasser ist jedoch als Katalysator für jede nachhaltige
Entwicklung unerläßlich. Zunehmende Konflikte, etwa zwischen
Ländern am gleichen Fluß, scheinen vorprogrammiert. Da aber
die Regierungen keine Konzepte zur Vermittlung in solchen Fällen haben,
ist zu befürchten, daß aus den Konflikten Kriege entstehen.
Zwar rücken Resourcenschutz und Wasserversorgung zunehmend ins
politische Blickfeld. Klare Verpflichtungen müssen jedoch noch folgen.
Anfang Juli 2002 treffen sich Afrikas zuständige Minister -mit ehrgeizigen
Zielen: Sie wollen Regeln für eine Aufteilung der Resourcen finden
und die Entwicklungshilfe zum Management von Flüssen und Seen gerecht
verteilen. Die UN unterstützen sie dabei, denn die Vergangenheit zeigt:
Der Übergang zum umfassenden ökosystemorientierten Resourcenmanagement
kann ohne gut finanzierte politische und institutionelle Kapazitäten
nicht gelingen.
Während es in Westafrika oder in Äthiopien nur noch kleine
Reste der einst ausgedehnten Urwälder gibt, schreitet besonders im
Herzen des Kontinents, in den Regenwäldern des Kongobeckens, die Vernichtung
eines der wertvollsten Schätze Afrikas ungebremst voran - jedes Jahr
gehen mehr als 50.000 QuadratkilometerWald verloren. Ein großer Teil
des Kahlschlags geht aufs Konto europäischer Firmen. Mit der Zerstörung
der natürlichen Lebensräume verschwinden tagtäglich Tier-
und Pflanzenarten für immer - und oft auch menschliche Kulturen.
So geht auch jahrtausendealtes Wissen verloren. Traditionell wird der
Erfahrungsschatz Afrikas von Generation zu Generation mündlich weitergegeben.
Doch weil immer mehr Sprachen sterben, wird das Wissen über eine schonende
Nutzung der Natur nicht mehr vermittelt. Der Verlust an kultureller Vielfalt
hat so auch Folgen für die biologische Vielfalt. Dabei bergen die
enormen genetischen Resourcen große wirtschaftliche Potentiale: Kürzlich
beschlossen die UN, den Ländern Rechte an ihren biologischen Schätzen
zu garantieren. das soll etwa Gruppen zugute kommen, die Heilpflanzen kennen
und ihr Wissen verkaufen können.
Oft sind westliche Konzerne an der Zerstörung unmittelbar beteiligt,
doch auch indirekt haben die Industrieländer an Afrikas Umweltkrise
eine Mitschuld. Die globale Erwärmung beschleunigt die Wüstenbildung,
deren Folgen nirgends dramatischer sind als in Afrika. Zwei Drittel der
Böden sind degradiert. Viele der schlimmsten Hungersnöte wüteten
in Afrika, und gerade jetzt sind wieder Millionen durch eine Dürre
bedroht.
Daß Umweltschutz kein Luxus ist, muß heute nicht mehr betont
werden - kein Staat kann sich die Zerstörung der Lebensgrundlage leisten.
Doch mehr als irgendwo sonst schädigt die arme Landbevölkerung
Afrikas in ihrer schieren Not die Umwelt. Verzweifelt beackern die Menschen
ungeeignete Böden und überfischen Seen und Meere - wo es ums
schlichte Überleben geht, ist an ein nachhaltiges Umweltmanagement
nicht zu denken. Die Folgen der Globalisierung verschärfen die Lage
noch. Es ist zu befürchten, daß Afrika der einzige Erdteil sein
wird, dessen Bewohner im 21. Jahrhundert ärmer werden.
Auf dem Weltgipfel in Johannesburg wird es um eine gerechtere Weltwirtschaft
gehen, und ganz Afrika hofft darauf, daß konkrete Ziele - mit Zeit-
und Finanzierungsplänen - beschlossen werden. 1992 versprachen die
reichen Länder in Rio, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für
Entwicklungshilfe einzusetzen. Damals lag der Anteil im Schnitt bei etwa
0,4 Prozent, doch bis heute ist er auf 0,2 Prozent gefallen. Dieser Trend
muß umgekehrt werden, wenn wir in einer friedlichen Welt leben wollen.
Nötig sind radikale Schuldenerlässe und der Abbau von Handelshindernissen,
außerdem Wirtschaftsförderung, ein besserer Zugang zu Bildung
und medizinischer Versorgung, eine gesicherte Ernährung, eine nachhaltige
ländliche Entwicklung sowie Maßnahmen gegen Gefahren durch Naturkatastrophen
und Umweltrisiken.UNEP hat eine klare Botschaft an die Welt: Die Linderung
der Armut ist ohne Umweltpolitik nicht möglich. Nötig sind nicht
neue Absichtserklärungen, sondren ein politischer Konsens, konkrete
Aktionsprogramme und klare Verpflichtungen für alle Beteiligten.
Die gewaltigen Probleme Afrikas können mich vom Glauben an seine
Zukunft nicht abbringen - ich bleibe ein realistischer Optimist. Doch der
Kontinent braucht unsere Solidarität, um die Geisel AIDS zu bekämpfen,
um Spannungen und Bürgerkriege zu vermindern, die nicht zuletzt durch
ausländische Interessen an Resourcen bedingt sind. Die neue Entwicklungspartnerschaft
für Afrika (NEPAD) muß erfolgreich sein. Sie ist ein wichtiges
Sigal, daß Afrika sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt.
Nach vierjähriger Tätigkeit in Afrika bin ich von der Weite
und Schönheit der Länder verzaubert. Ich glaube an Afrika, weil
es ein dynamischer Kontinent ist, und ich bin beeindruckt von den Menschen,
vom Zusammenhalt in Familien und Nachbarschaften, von der Bereitschaft,
nicht nur zu klagen, sondern konstruktiv zu handeln.
UNEP:
Das 1972 gegründete United Nations Environment Program in Nairobi
ist neben "Habitat" die einzige UN-Institution mit Hauptsitz in einem Entwicklungsland.
UNEP entwirft internationale Richtlinien, fördert Umweltabkommen
und hilft bei der Schaffung nationaler Umweltgesetzgebungen. Seit 1998
leitet der deutsche Ex-Bundesminister Klaus Töpfer die UNEP. Forderungen,
UNEP zu einer schlagkräftigen Weltumweltorganisation auszubauen, die
der WTO (World Trade Organisation) Paroli bieten kann, finden zunehmend
Fürsprecher. Ihnen könnte der Gipfel in Südafrika Rückenwind
geben.